Erstling

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Buch

Mein Erstling hatte es nicht leicht. Endlich auf der Welt, ließ ich, die Erzeugerin, ihn eingeschweißt und unangetastet im Schreibtischchoas versinken, um ihn nicht sehen zu müssen, damit Wunden nicht weiter reißen. Dann schlich sich hinterrücks die postnatale Buchdepression heran. Das Unvermögen, Freude, gar Stolz über das Erreichte zu empfinden, stattdessen nur Schwere in Kopf, Herz und Gliedern. Zum Glück fordert mich mein Sohn so sehr, dass es fast unmöglich ist, unrettbar in einem Seelenkerker zu versinken. Die Depression hat mit diesem wundervollen, ziemlich wilden Goldjungen, einen schweren und hartnäckigen Gegner. Andererseits auch einen Kombattanten, wenn es ums Kräfte zehren geht. Die anderthalb Jahre mit Buch und Baby waren eine unglaubliche Tour de Force. Zwölf Stunden täglich mit einem Baby alleine, das sich die ersten neun Monate nicht ablegen ließ ohne Schreiattacke. Zeruya Shalev hat angeblich einen ihrer Romane geschrieben, während ihr Baby in einem Tragetuch schlief. Das hat bei uns gerade ein Mal geklappt. Ansonsten bin ich mit dem Baby in der Manduca einmal die Äquatorstrecke gelaufen. Ich habe nicht ein einziges Mal Mittagsschlaf gemacht, seit der Kleine auf der Welt ist. Diese eins, zwei, selten drei Stunden, wenn er schlief, waren heilige Schreibzeit.

afterlight (1)

Aber die große Erschöpfung kam erst später, eigentlich erst in den vergangenen Monaten. Eine fast lähmende Überforderung, die Sicherungen immer kurz vorm Durchbrennen. Und nun, als die Entkräftung in Ernüchterung überging, kam die Nachricht, dass ich den diesjährigen Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung erhalte. Einfach so, ohne vorher durch die Hölle der Feindseligkeit gegangen zu sein. Genugtuung ist vielleicht nicht die edelste Empfindung, aber sicher eine der Schönsten.

***

(Thank you for reading me: hier, dort oder da.)

3 Comments

  1. Oh mein Gott, wie toll. Glückwunsch! Das alles durch soviel Kraft und Konsistenz. Und natürlich auch Können. Alles Gute, und noch viel Genugtuung weiterhin! <3

    PS: Ohne starke Gegenkraft gegen die der Depression wird es gefährlich, das stimmt.

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