Februar und Frühlingsanfang 2012

Hinterlasse einen Kommentar
Jahrbuch / Leben

Der längste Februar und der kürzeste März meines Lebens. Im Februar lag der Geburtstermin noch in endlos quälender Ferne, und jetzt könnte  (und dürfte!) es plötzlich jederzeit losgehen. Das Baby liegt zwar schon seit Wochen mit dem Köpfchen nach unten, aber noch immer tanzt es auf dem Schambeinrand, anstatt sich in die gebärfreudige Lage des tiefen Beckens zu senken. Das heißt auch, dass es sich noch immer mit seinem Mini-Po an meiner Zwerchfellkante entlang schieben kann und beim ausgiebigen Strecken gegen meine Organe tritt, was mir heftig den Atem raubt. Im wortwörtlichen und übertragenen Sinne. Es ist nach wie vor faszinierend, wenn Beulen über die Bauchdecke wandern und man Körperteile-Raten spielen kann. War das ein Füßchen, ein Ellenbogen, der Rücken, Po? Aber so innig wie mein Verhältnis zu meinem Bauch war, um so beschwerlicher wird es nun mit jedem Tag. Und vor allem jeder Nacht. Jede Drehung ein Kraftakt. Meist bleibe ich auf halber Strecke liegen, nämlich auf dem Rücken, und schlafe ein, bevor ich wieder aufwache vom Babygewicht und dem Druck auf Venen und Eingeweide und die Drehung vollende. Natürlich nicht ohne den Bauch auf einem Extra-Kissen so zu betten, dass nichts ziept, zerrt und krampft. Dann kann ich eine Weile halbwegs weiterschlafen, bevor die Hüfte anfängt zu schmerzen und eine erneute Drehung nötig wird. Oder der Atem stockt oder die Blase drückt. Oder die Früh-Vor-und Senkwehen den Bauch so hart machen, dass man einen Panzer darauf parken könnte. Oder das Baby anfängt zu kicken, zu strampeln und Schluckauf zu haben. (Wahnsinn, wie sehr ein fetaler Schluckauf den ganzen mütterlichen Leib erbeben lässt!) Hach, alles ein wunderbares Training für die schlaflosen Baby-Nächte!

Es ist fast unmöglich einen Gedanken zu fassen, der außerhalb des Baby-Kosmos liegt. Bis vor kurzem waren es die Übermacht des Nestbautriebs (shoppen, putzen, waschen, ordnen, Listen abarbeiten) und ein enervierender Aktionismus, die alles andere ausgeblendet haben. Überhaupt, die illusionäre Vorstellung, mit einem Baby ließen sich ein kompletter Neustart ausführen und alle Altlasten löschen. Aber immerhin: Die Erfahrung eines bis dahin ungekannten Wohlbefindens in der Zeit zwischen dem 4. und 7. Monat (also nach der zermürbenden Übelkeit und der beginnenden Bauch-Plackerei). Nahezu angstfrei und unbeschwert und erstaunt darüber, was für ein Glück die Normalität sein kann, wenn man einfach so das Haus verlassen, einkaufen, Besuche machen, Zug und U-Bahn fahren, spazieren und essen gehen kann ohne in einen körperlichen Ausnahmezustand zu geraten. Zuletzt hat sich das Symptom wieder hinterrücks angeschlichen, und ich weiß, das wird es immer wieder tun. Als ich kürzlich meinen Klinikkoffer gepackt habe, war ich heilfroh, dass ich demnächst nur zu einer Geburtsklinik fahren muss und nicht etwa zum Flughafen, um womöglich in ein Land mit hoher Luftfeuchtigkeit und mangelnder medizinischer Versorgung zu reisen.
Abgesehen davon, dass mir Brandenburg zu meinem Glück reicht (und bald wieder erreichbar wird, wenn wir demnächst das ersehnte Auto bekommen), hoffe ich dennoch, dass ich mit und für das Baby nach und nach meinen eingeschränkten Aktionsradius erweitern und mir wieder ein Stück Welt zurückerobern werde.

Das Buch trage ich nun schon mehrere Elefantenschwangerschaften aus und womöglich wird diese Geburt schwerer als die des Babys. Aber so richtig hatten die letzten Seiten auch keine Chance gegen die Imaginationen, die das kommende Kind ausgelöst haben. Zudem war die Anspannung zwischen 30. und 35. Woche so groß, und erst mit dem Schwinden der Frühgeburtssorge und der Geburtsängste ist wieder mehr Raum für das Büchlein. Nur dass jetzt kaum mehr Raum im Bauch ist und selbst das Sitzen am Schreibtisch nach kurzer Zeit zur Marter gerät. Es sind noch wenige Sätze, die geschrieben werden müssen, um meiner (wunderbaren) Agentin ein vorläufiges Schluss-Manuskript zu schicken, aber mit den letzten Seiten und somit dem fertigen Buch verhält es sich wie mit dem Baby im Bauch: nichts auf der Welt ist so nah und gleichzeitig so fern. Beides werde ich erst begreifen, wenn ich es in den Händen halte.

Kommentieren:

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s