Vor einiger Zeit bat mich die Journalistin Elke Heinemann um ein Interview. Es sollte um „Dichtung im Zeitalter der digitalen Differenz“ gehen, also um Twitteratur und E-Books. Aus der angekündigten halben Stunde wurde ein zweieinhalbstündiges Gespräch*, das ich als durchaus freundlich in Erinnerung habe. Nun erschien der Text „Wir sind die Fährtenleser einer neuen Literatur“ in der FAZ. Am Ende des Textes komme ich mit meinem Buch ins Spiel. Der ganze Abschnitt ist kompletter Murks.
Und doch lassen sich Twitterer gern zum „richtigen Buch“ verführen. So hat Anousch Müller, die 2012 im Frohmann Verlag mit dem reinen E-Book „Bescheiden, aber auch ein bisschen göttlich – Beflügelte Worte“ debütierte, mittlerweile bei C.H. Beck ihren ersten, gar nicht experimentellen Roman, „Brandstatt“, über eine thüringische Liebesgeschichte veröffentlicht. Er wurde vom Gros der Follower auf Twitter ignoriert, von Kritikern in Klagenfurt und anderswo negativ rezensiert, aber am Ende von der Jürgen-Ponto-Stiftung prämiert.
1. Ich habe lange vor Twitter mit dem Roman angefangen. Habe mich also nicht über Twitter zum Roman gehangelt. Auch wenn ich über eine web-2.0.-Lesung, bei der ich Auszüge aus meinem Roman vorgetragen habe, zur Literaturagentur Eggers kam, die mich dann bei C.H. Beck unter Vertrag brachte. An jenem Abend wurde auch Christiane Frohmann auf mich aufmerksam, die später meine Tweets als E-Book veröffentlichte.
2. Immer diese Experimentalismus-Scheiße! Ich war schon für die Jury in Klagenfurt nicht experimentell genug und bin es nicht für jene, die sich vom Netz einen Avantgarde-Orgasmus erhoffen. Ja, man kann, wie ich, mit einem Smartphone hantieren und trotzdem klassische Literatur lieben und schreiben.
3. „Thüringische Liebesgeschichte“. Völlig irreführende Zusammenstutzung. Wenn schon dann Liebe, Abhängigkeit und Gewalt.
4. Der letzte Satz trifft leider zu, bis auf ein Detail, gegen das ich mich am liebsten mit Waffen verteidigen würde (z.B. mit einer aus meinem Roman). Es entsteht der Eindruck, das Buch wäre überwiegend negativ rezensiert worden. Das Gegenteil ist der Fall. Zwei Verissen (FAZ und ein Blogger) stehen zehn positive Besprechungen gegenüber. Nicht alle, aber die meisten sind online.
Immerhin schon zwei Mal in der FAZ schlecht weggekommen. Das muss man auch erst mal schaffen.
Diskussion auf FB: https://www.facebook.com/anousch.o?fref=nf&pnref=story
Und immerhin kommen im Roman auch Twitter und einzelne Tweets vor – vielleicht wurde der also gar nicht gelesen.
Nicht lange ärgern, Anouschka!
Stimmige Artikel sind ein schwierig‘ Ding…, und die FAZ ist nur EINE Zeitung.
@kid37
Ging ja auch nicht explizit um den Roman. Aber stimmt, das ist ja quasi Crossmedia vom Feinsten.
@Lena
Ja. Aber der Eindruck bleibt halt verzerrend.